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Exil

März 28, 2019

Das Babylonische Exil gehört zu den prägendsten Erfahrungen der Bibel. Es war eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmasses, die ganz vieles erschütterte. Und gleichzeitig gewann durch diese Krise der Glaube an Tiefe.

Im 7. und 6. Jh. v. Chr. gab es zwei Grossmächte: Ägypten und Babylonien. Zwischen diesen beiden Grossmächten lebten eine Menge kleinerer Völker, die mal von der einen, dann wieder von der anderen Grossmacht überrollt wurden. Sie mussten dann Steuern abliefern, konnten aber sonst weitgehend selbstbestimmt leben. Um das Jahr 600 v. Chr. waren es die Babylonier, die gerade über Israel herrschten.

Das passte nicht allen; König Jojakim lehnte sich gegen Babylon auf und wollte sich mit den Ägyptern verbünden. Das liessen die Babylonier nicht zu, sie nahmen Jerusalem 597 v.Chr. ein erstes Mal ein und deportierten die ganze Oberschicht von den Babyloniern (unter ihnen Ezechiel).

Mit dieser Taktik schwächte man die aufmüpfigen Völker. Die Babylonier setzten in Jerusalem einen König aus den Reihen der Israeliten ein, Zedekia. Doch dieser liess sich dazu überreden, erneut einen Aufstand gegen Babylon zu wagen. Gott würde ihnen beistehen, sagten seine Hofpropheten. Der Prophet Jeremia, der auch zu jener Zeit lebte und nicht bei den Deportierten war, warnte Zedekia. Er sagte: „Beugt euch unter das Joch Babylons.“ (vgl. Jer 27+28) Aber niemand hörte auf ihn. Da kam es, wie es kommen musste: Die Babylonier belagerten Jerusalem erneut, und diesmal – im Jahr 587 v.Chr. – machten sie al les dem Erdboden gleich, sogar der Tempel wurde zerstört , unzähl ige Menschen wurden umgebracht, gefangen genommen, nach Babylon ins Exil verschleppt. Im Psalm 137 lesen wir, wie viele Tränen da an den Flüssen von Babel geweint wurden.

Viele Fragen stellten sich (vgl. dazu Jeremia, Ezechiel, Jesaja 40 -55): Hatte Gott versagt? Waren die Götter der Babylonier stärker als der Gott Israels? Er hatte doch versprochen, dass der Thron Davids ewig Bestand haben würde, und sie hatten geglaubt, dass kein Feind Zion einnehmen könne. Oder hatte Gott sie bestraft? Würde er ihnen für immer zürnen? Können sie ihren Glauben auch in der Fremde leben – ohne Tempel? Wo konnten sie sich der fremden Kultur anpassen? Worin unterschieden sie sich als Juden? Sie mussten gewisse Vorstellungen, wie Gott war, loslassen. Aber sie lernten Gott auch neu kennen – als den, der sie zwar die Folgen ihrer Entscheidungen tragen liess, aber der nicht ewig zürnt. Er war da – auch im Exil. Und die Propheten verhiessen einen Neuanfang.

So geht es vielen Menschen, wenn eine Katastrophe über sie hineinbricht. Der Glaube wird erschüttert. Sie merken, dass die alten Vorstellungen von Gott nicht mehr tragfähig sind. Aber man kann dann Gott auch neu kennen lernen. Als den, den man nicht immer versteht (Jes. 55,8f), aber der doch da ist (Jes. 54,10) und eine neue Zukunft schenkt. (Jer. 29,11).

 

In herzlicher Verbundenheit

Urs Rickenbacher