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Gott und die Natur

Januar 23, 2019

Viele Menschen sagen, dass sie Gott am ehesten in der Natur begegnen. In unserer Beschäftigung mit dem Thema Spiritualität ist mir eine neue Dimension dieser Erfahrung aufgegangen. Es ist mir nämlich aufgefallen, dass in allen möglichen Formen von Spiritualität auch natürliche Vorgänge eine Rolle spielen.

So habe ich letztes Jahr in der Fastenwoche gelernt, dass Fasten in einem vernünftigen Rahmen auch rein medizinisch gesehen sinnvoll ist; nach neusten Forschungen setzen nach 12-16 Stunden Fasten Reinigungsmechanismen in den Zellen ein, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken. Oder: Nach einer halben Stunde Singen werden Glückshormone ausgeschüttet , die wie ein natürliches Antidepressivum wirken. 

Auch beim Gebet mit Handauflegen spielen natürliche Faktoren mit: Durch angenehme Berührungen werden Hormone (Oxytocin) produziert, die angst- und stresshemmend wirken. Oder wenn wir gemeinsam beten, ist ein wohltuender Faktor psychologischer Natur: Wo wir einander anvertrauen, was uns beschäftigt, und wo wir spüren, dass andere unsere Anliegen mittragen, entlastet und stärkt uns dieses Erlebnis. 

Da geschehen also Dinge, die biologisch oder psychologisch erklärbar sind. Spiritualität erschöpft sich natürlich nicht darin, dass wir uns natürliche Vorgänge zunutze machen. Es geht immer auch darum, dass wir uns öffnen können für die Gegenwart Gottes, für sein Reden und Handeln, für seine Liebe, seine Kraft. 

Die Spiritualität erschöpft sich nicht in biologischen und psychologischen Vorgängen – aber diese sind Teil der Wirkung.

Auch durch diese absolut natürlichen Vorgänge wirkt Gott. Und wenn er uns durch das biblische Wort auffordert zu singen, miteinander zu beten, den Kranken die Hände aufzulegen, zu fasten etc., dann legt er uns keine Pflichten auf, sondern er weist darauf hin, was gut ist für uns. Er weiss ja, wie wir geschaffen sind und was wir brauchen. HERR, wie sind deine Werke so gross und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.“ Psalm 104,24

 

In herzlicher Verbundenheit

Urs Rickenbacher

 

 

Die Hummelorchis – wunderschön aber unlogisch

 

Bei einer Familienwanderung im Jura vor 50 Jahren haben wir auf einer Bergwiese eine wunderschöne kleine Orchidee entdeckt. Wir haben einige Pflanzen gepflückt und ich habe ein Exemplar dem Naturkundelehrer in die Schule mitgebracht zur Identifikation. Der war völlig geschockt, dass wir eine so seltene Pflanze, welche streng geschützt sei, gepflückt hatten. Es sei eine Hummelorchis, hat er gesagt. Seit dieser Zeit haben meine Eltern diese Wiese fast alljährlich im Mai besucht und die Orchideen an ihrem Original-Standort bewundert und wir Kinder haben sie oft begleitet. Über die Jahrzehnte wurden es immer weniger, besonders, nachdem die Wiese intensiver genutzt und auch gedüngt wurde. Trotzdem gelang es mir viel später, im Jahr 2005, die Hummelorchis an diesem Standort noch zu fotografieren.

Beim Lesen über diese Orchidee habe ich herausgefunden, dass die Hummelorchis die Form, Farbe, Behaarung und den Duft der weiblichen Hummel imitiert und dadurch paarungswillige Hummelmännchen anlockt, welche dann die Orchidee versuchen zu begatten und sie dabei mit dem Kopf via genau dafür platzierten Blütenstaubballen und Narben bestäuben. Die Hummelmännchen kommen im Frühling viele Tage vor den Weibchen aus der Erde hervor und genau zu diesem Zeitpunkt blüht die Hummelorchis schon und lockt die Hummelmännchen an.

Das ist eine enge Symbiose zwischen der Orchidee und der Hummel. Aber sie ist aus evolutionsbiologischer Sicht völlig unnötig und unlogisch. Auf der gleichen Wiese hat es tausend Mal mehr Gräser und Blumen, die durch Wind oder alle Arten von Insekten bestäubt werden können und nicht von einem einzigen Insekt allein abhängig sind. Wenn es also darum geht, dass nur der Stärkste und am besten Angepasste überleben soll, dann dürfte es diese Hummelorchis auf der Jurawiese gar nie geben. Und wie in aller Welt soll die Hummelorchis wissen, wie ein Hummelweibchen aussieht, wie die Grösse, die Farbe und die Behaarung ist und wie es riecht? Und wenn das nicht von Anfang an genau passt, funktioniert die Imitation nicht, das Hummelmännchen fällt nicht auch den «Bschiss» rein und die Orchidee wird nicht bestäubt und stirbt gleich wieder aus.

Aus meiner Sicht ist Gott als Schöpfer nicht nur ein genialer Planer und Ingenieur, sondern auch ein verspielter, kreativer Künstler, der uns Menschen mit seiner Schöpfung immer wieder erfreuen und überraschen will. Mit der völlig unnötigen, unlogischen aber wunderschönen kleinen Hummelorchis ist ihm das für mich definitiv gelungen.

 

Fritz Kurt, [email protected]